Menstruation im Deutschrap - Warum es jetzt Stress gibt
Menstruationsshaming im Deutschrap?
Dass Frauen in Raptexten oft aufs Schlimmste beleidigt und diskriminiert werden, ist längst nichts Neues mehr, doch auch für ihre Periode werden menstruierende Menschen im Rap geshamt. Der Umgang mit der Mensis bedarf einer Überarbeitung – wie das umgesetzt werden kann, zeigt Mariybu in ihrem Song "PMS".
Es lief viel schief im Deutschrap im Umgang mit der Periode. Aber wie so häufig ist Rap immer auch Spiegel der Gesellschaft. Viele menstruierende Menschen trauen sich nicht offen über Bedürfnisse und Schmerzen zu sprechen oder es wird ihnen Schamgefühl von außen eingeredet. Die Funktion bzw. Rolle des Deutschraps kann es sein, durch das Aufgreifen des Themas Menstruation im Optimalfall Tabus zu brechen und dem Menstruationsshaming entgegenzuwirken. Fatalerweise äußern sich vor allem CIS-Männer immer wieder abfällig in ihren Songs gegenüber menstruierenden Menschen. Wodurch sich kulturell bedingte Diskriminierung weiter fortsetzt. Es ist wichtig, offen über die Periode zu sprechen und einen aufgeklärten Umgang mit dem Thema zu pflegen.
Was passiert, wenn Menschen nicht für das Thema sensibilisiert sind, zeigt der Song „Erdbeerwoche“ von KC Rebell und Summer Cem feat. Elias. Aktuell hat der Song ganze 6,6 Millionen Aufrufe auf YouTube und sowohl Summer Cem als auch KC Rebell haben über 3 Millionen monatliche Hörer auf Spotify. Die Reichweite solcher Songs und die übermittelte Message sind also nicht zu unterschätzen. In dem Song wird eine Date-Situation beschrieben, in der die Frau ihre Tage hat und der Rapper deshalb an einem „gebrochenen Herzen“ leidet. Der Rapper schmeißt seine Verabredung im ersten Part deshalb raus. Darauf folgen übelste Beleidigungen gegenüber dem menstruierenden Menschen – sowie das Statement, dass statt Vaginalverkehr doch seitens der Frau die Bereitschaft zum Oral- und Analverkehr immer vorhanden sein muss. Die genauen Formulierungen gleichen Vergewaltigungsfantasien. Des Weiteren wird in den Parts auf die Besitztümer der Rapper verwiesen wie ihre Jacht, Geld und Marken-Klamotten. Sie beschreiben sich als unantastbar, mächtig und reich, sodass Frauen ja gar keine andere Wahl haben, als mit ihnen zu schlafen. Der wahre Gehalt dieser problematischen Äußerungen wird und wurde in der #deutschrapmetoo Bewegung verhandelt.
Die Folge solcher Messages in Rapsongs sind die Verfestigung von misogynen Denkmustern und die Verbindung der Periode mit Ekel.
Doch kann der Song „Erdbeerwoche“ nicht durch das Thematisieren der Periode auch zu einer Enttabuisierung führen?
Dazu ein ganz klares „Nein“! Denn neben diskriminierender und beleidigender Sprache gegenüber Frauen begünstigen Begriffe wie „Erdbeerwoche“ oder „die rote Tante“ weiterhin eine Tabuisierung, da die Menstruation eben nicht beim Namen genannt wird und so weiterhin schambehaftet bleibt.
Auch können Lines, in denen menstruierende Menschen diskriminiert werden, nicht leichtfertig unter der Kunstfreiheit durchgewunken werden, da der Ekel vor der Periode weiter reproduziert wird und so Eingang in das Denken der Gesellschaft findet.
So äußerte sich der Rapper Al Gear in seiner Instagram-Story sehr abfällig gegenüber menstruierenden Menschen und führte seinen widerlichen Aussagen sogar so weit, dass Frauen während ihrer Periode „eingesperrt“ gehören.
Es bedarf also einer musikalischen Gegenbewegung und die liefert uns Mariybu in ihrem Song „PMS“.
In „PMS“ beschreibt Mariybu explizit die Begleiterscheinungen der Menstruation. Die Grundstimmung des Songs ist abgefuckt und aggressiv. Das kann man zum einen als genervt sein vom gesellschaftlichen Umgang mit der Menstruation interpretieren oder auch so, dass hier die gereizte Stimmung vor der Menstruation musikalisch transportiert wird. Der Reimstruktur des Songs ist komplex und so lassen sich neben dem für den Deutschrap typischen Paarreim auch Kreuzreime, Binnenreime und identische Reime finden.
Der Song eröffnet das Thema Periode direkt mit einem Verweis auf die schlechte Aufklärung.
„Ich habe PMS, ja, weißt du, was das ist?“
PMS steht für prämenstruelles Syndrom und beschreibt die körperlichen und emotionalen Beschwerden vor der Regelblutung, oder um es in den Worten von Mariybu zu sagen: „Das sind beschissene Tage, ich bin immer angepisst“
Der Song ist durch und durch politisch und so verweist Mariybu im ersten Part auf den Missstand, dass die Schmerzen vor und während der Periode immer noch bagatellisiert werden und man trotz Beschwerden zur Arbeit muss. Repräsentativ für die politische Ebene sind die Lines:
„Um meinen Block lauf ich schlafend wie `ne Oma am Stock.
Und im Bus kann ich nicht stehen, wichtig dass ich mich hin hock.“
Der Oma wird im Bus direkt ein Sitzplatz freigemacht, da ihre körperlichen Beschwerden offensichtlich sind, während ein unter Schmerzen leidender menstruierender Mensch keinen Sitzplatz angeboten bekommt. Es gestaltet sich durch die Tabuisierung der Menstruation ja auch durchaus schwierig, offen im Bus einer Fremden Person seine Leiden zu schildern. Hier ist also ganz klar die Message: Wir sollten alle mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse und Beschwerden von Menschen während oder vor ihrer Periode nehmen. Nicht darüber zu sprechen, verfestigt Probleme.
Schon durch die aggressive Stimmung bricht der Song mit stereotypischen Rollenbildern von Frauen. Denn statt in introvertierte Depression zu versinken, entscheidet sich das lyrische Ich für eine ausdrucksstarke Antwort. So heißt es in der Hook:
„Digga, Digga jetzt gibt’s Stress,
denn ich hab‘ PMS
PMS PMS PMS PMS
Kann schon sein, dass ich Freundlichkeit darüber vergess‘“
Transportiert werden die Beschreibungen gesellschaftlicher Diskriminierung und die Symptomatik des prämenstruellen Syndroms mit Formulierungen aus den Deutschrap: Das Laufen um den Block erinnert an den bekannten Sido-Song oder die Line „Denn ich hab Rücken“ verweist im Sprachgebrauch des Raps auf die Gang, die „hinter“ einem steht. Mariybu beschreibt damit jedoch Menstruationskrämpfe und adaptiert hier die harte Sprache und Ausdrucksform des Raps, um auf die Drastik der Periode aufmerksam zu machen.
An wen richtet sich Mariybu in „PMS“?
Schon in der Hook wird ein lyrisches Du hinzugezogen:
„Laberst du Scheiße, mach‘ ich kurzen Prozess“
Der/die Adressat*in steht stellvertretend für die Menschen, die einem Vorwürfe bzw. unqualifizierte Kommentare entgegenbringen, während man selbst gerade unter PMS leidet. Durch die Formulierung „Macker“, mit der das lyrische Ich im zweiten Part angesprochen wird, stelle ich die These auf, dass das lyrische Du die toxische Maskulinität verkörpert. So kann „PMS“ auch als Antwort auf Songs wie „Erdbeerwoche“ verstanden werden.
Neben dem Aufbrechen von Tabus und dem Aufzeigen politischer und gesellschaftlicher Missstände gelingt es Mariybu, einen offenen und expliziten Umgang mit der Periode vorzuleben.
Weitere Beispiele für einen enttabuisierenden Umgang mit der Menstruation sind der „Periodensüstem“ von SHARI oder auch „Es könnte grad nicht schöner sein“ von Blond. Es lohnt sich sehr, in beide Songs mal reinzuhören.
Die Periode ist ein gesamtgesellschaftliches Thema und betrifft uns alle – und nicht nur menstruierende Menschen. So sollten Lehrer*innen darauf Rücksicht nehmen, wenn etwa eine Schülerin zur Toilette muss; es ist wichtig in Bars und Restaurants Hygieneprodukte bereit zu stellen – und auch als Vater sollte man sprachfähig bezüglich der Periode sein. Musik kann helfen, diese Tabus zu brechen, und zu einer progressiv denkenden Gesellschaft beitragen.
Falls ihr Lust auf mehr zum Thema Periode im Deutschrap habt, hört doch mal in unseren Podcast rein: Menstruation im Deutschrap
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